Die Feiertage sind vorbei und ich bin seit 3 Wochen zurück in Combuyo. Da mein bolivianisches Visum Mitte Dezember auslief, (als Touristin habe ich leider nur 90 Tage Visum pro Kalenderjahr) bin ich für 2 Wochen nach Brasilien gereist, um so mein Visum für 2015 zu erneuern. Seit meiner Ankunft (mit nem neuen Visastempel im Reisepass) konzentriere ich mich voll und ganz auf mein erstes Forschungsprojekt.
Bevor ich nach Bolivien gekommen bin, bat Noemi mich neben der PraktikantInnenarbeit mir ein eigenes Projekt auszudenken, um mich so in meinem individuellen Interessensgebiet zu fördern. Da ich innerhalb meines Studiums ein Referat über die biologische Schädlingsbekämpfung mit Weberameisen (Oecophylla sp.) in Südostasien und Australien gehalten habe und mich in dieser Zeit mit verschiedenen Ameisenarten auseinander gesetzt habe, kam mir die Idee einen Versuch mit Blattschneiderameisen durchzuführen. Die Lebensweise der Blattschneiderameise beeindruckte mich sehr und ich hatte große Lust über den Versuch ihre Lebensweise genauer kennenzulernen und zu untersuchen.
Blattschneiderameisen –ein Superorganismus
Unter dem Begriff Blattschneiderameisen werden alle Ameisenarten zusammengefasst, die mit ihren Mundwerkzeugen verschiedene Pflanzenarten beschneiden. Die Pflanzenstücke verwenden sie als Substrat für einen Pilz von dem sie sich ernähren. Es gibt noch mehr Ameisenarten, die in Symbiose mit einem Pilz leben, jedoch nutzen diese nur verrottete Blattstücke sowie totes organisches Material. Die Blattschneiderameisen haben sich ausgehend von diesen „primitiven“ Arten evolutionär weiterentwickelt und besetzten durch die Verwendung von frischem Pflanzenmaterial eine spezielle Nische. Zu den Blattschneiderameisen zählen die Gattungen Atta und Acromyrmex, die in tropischen und subtropischen Gebieten des ganzen amerikanischen Kontinents zu finden sind. Blattschneiderameisen sind die wohl bekanntesten Ameisen Amerikas, da sie durch das Beschneiden von Pflanzen als Agrarschädling auffallen. Je nach Region und angebaute Pflanzen gibt es teilweise Ernteverluste von bis zu 30% durch Blattschneiderameisen.
Ein Blattschneiderameisennest befindet im Gegensatz zu den klassischen Vorstellungen des hügelartigen Ameisenbaus (z.B. der europäischen Waldameisen) unterirdisch. In einem komplexen System von verschiedenen Kammern, die durch Tunnel verbunden sind, befinden sich verschiedene Pilzgärten, in denen der Pilz herangezogen und gepflegt wird, und Abfallkammern, in denen abgestorbenes Pilzmaterial und tote Ameisen gelagert werden. Ein solches System kann aus bis zu 1000 Kammern bestehen.
Da die Blattschneiderameisen Unmengen von organischem Material in den Boden eintragen, erhöhen sie die Bodenfruchtbarkeit des Bodens. So kann ein tropischer Boden durch Blattschneider 10mal fruchtbarer sein als ohne sie.
Nachdem die Blattstücke in das Nest transportiert worden sind, werden sie dort von anderen Arbeiterinnen (die Männchen einer Ameisenkolonie sterben nach der Reproduktionsphase) zerkleinert, zerkaut und zu kleinen Kügelchen geformt, um so das Substrat für den Pilz zu bilden. Zusätzlich düngen sie dieses mit von ihnen produzierten Kottröpfchen. ForscherInnen gehen davon aus, dass der Pilz ein Millionen Jahre alter Klon ist, der von Kolonie zu Kolonie weitergegeben wird. Die zukünftigen Königinnen nehmen sich vor dem Ausschwärmen (um sich in der Luft zu paaren) zu Beginn der Regenzeit in einer „Tasche“, die sich in ihrer Mundhöhle befindet, ein Stück des Pilzes mit. Die befruchtete Königin sucht sich nach dem sogenannten „Hochzeitsflug“ einen neuen Ort für die Kolonie und beginnt dort Eier zu legen und den ersten kleinen Pilzgarten anzulegen. So beginnt die neue Kolonie zu wachsen.

Acromyrmexameisen (Art noch nicht ganz bestimmt; ähnelt Acromyrmex crassispinus; s. u.) in Mollesnejta kurz vor dem Hochzeitsflug
Da der Pilz unter Umständen von Pathogenen (Krankheitserreger) befallen wird und abstirbt, „klauen“ sich Blattschneiderameisen Teile des Pilzes einer anderen Kolonie, um zu überleben.
Wie auch in anderen Ameisenkolonien herrscht ein großer Polymorphismus bei Blattschneidern, dass bedeutet, es gibt Arbeiterinnen verschiedener Größenordnung innerhalb der Kolonie. Jede Kaste erfüllt dabei ihre Aufgabe (Beschneiden der Blätter, Transport, Zerkleinerung, Pflege der Pilzgärten, Pflege der Brut, etc.).

Größenunterschiede der Arbeiterinnen von Atta laevigata (aus dem Buch „Herbivory of leaf-cutting ants“)
Auch wenn die einzelnen Arten der Blattschneiderameisen vieles gemeinsam haben, unterscheiden sie sich sehr in ihrer Verhaltensweise. So gibt es Blattschneiderameisen z.B. Atta vollenweideri, die sich auf das Schneiden von Gräsern spezialisiert haben. Andere wie z.B. Acromyrmex striatus sind Generalisten und beschneiden viele verschiedene Pflanzen (Gräser, Zweikeimblättrige Pflanzen etc.). Auch in ihren tageszeitlichen Aktivitäten gibt es Unterschiede. Daher stehen unterschiedliche Blattschneiderameisen selten in Konkurrenz zueinander. So können mehrere Arten auf engstem Raum vorkommen.
Blattschneiderameisen in Combuyo
Auf dem Gelände von Mollesnejta gibt es (soweit ich das Gelände überblickt habe) zwei verschiedene Acromyrmexarten. Mollesnejta befindet sich auf ca. 2700 m. ü. NN und Blattschneiderameisen der Gattung Atta kommen meist nur im „Tiefland“ vor. Hier zu finden sind Acromyrmex striatus und eine andere Art, die Acromyrmex crassispinus ähnelt. Ich habe ein paar Exemplare der hier vorkommenden Blattschneiderameisen zu meinem Dozenten, der sich auf die Taxonomie und Ökologie von Ameisen spezialisiert hat, nach Deutschland geschickt, um sie dort von ihm bestimmen zu lassen. Denn die Bestimmung von Ameisen bzw. generell von Insekten ist aufgrund deren Größe und Vielfalt ziemlich schwierig und erfordert Sachkenntnis sowie gute Mikroskope zur Vergrößerung. Doch auch mein Dozent konnte nicht eindeutig sagen um welche Art es sich handelt. Nach der äußeren Bestimmung ähnelt die Ameise der Art A. crassispinus, allerdings ist diese bislang in Bolivien nicht bekannt. Daher kann es eventuell sein, dass es sich um noch eine unentdeckte Art handelt. Ich werde auf jeden Fall noch einmal Exemplare von hier mitnehmen, um sie von einem Spezialisten in Uruguay untersuchen zu lassen.
Laut einem Artikel der Interseite ENN (Environmental News Network) von 2013 wurden bislang um die 15.000 Ameisenarten entdeckt. Schätzungen vermuten, dass es morphologisch gesehen (äußerlich unterscheidbar) noch weitere 15.000 unentdeckte Ameisenarten gibt. Würde mensch diese dann auch noch genetisch untersuchen, könnte es vielleicht sogar um die 100.000 Ameisenarten geben. Vielleicht gehört die Blattschneiderameise aus Mollesnejta ja zu den noch unbekannten 15.000. Das werde ich hoffentlich in den nächsten Monaten wissen.
Um zu erfahren, was ich genau in meinem Versuch mache und wie es mir so dabei ergeht, müsst ihr den nächsten Blogeintrag öffnen. 🙂
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