von Johanna
Um mich legal knapp ein Jahr in Bolivien aufhalten zu können, musste ich ein Visum beantragen – soweit so gut. Also machte ich mich letzten Dienstag bald in der Früh auf die 1,5 bis 2stündige Fahrt in die Stadt nach Cochabamba in die „Migración“, sozusagen die Behörde für alle Ausländer und Ausländerinnen. Im Nachhinein betrachtet war ich wohl etwas zu optimistisch. Ich dachte nämlich ich gehe dahin, die schauen sich meinen Pass an, ich muss irgendeine Summe bezahlen, die geben mir einen Stempel rein und fertig. Dem war leider nicht so – aber der Reihe nach.
Dienstag: Ankommen bei der Migración – Schlange stehen – drankommen – dem Portier mein Anliegen erklären: nach einem kurzen Blick in meinen Pass reicht er mir einen Zettel mit einer langen Liste an Dokumenten, die ich brauche. Perplex stehe ich wieder draußen und studiere den Zettel. Ich habe viele Fragen und so schnell will ich mich nicht abwimmeln lassen, also wieder: Schlange stehen – drankommen. Der Portier ist geduldig und beantwortet mir meine Fragen. An der Sachlage ändert das aber leider nichts, ich komme an dem Portier heute leider nicht vorbei. Also geht’s weiter in ein Internetcafé. Nach kurzer Recherche weiß ich, wohin mich mein nächster Weg führt: zum INSO, dem Instituto Nacional de Salud Ocupacional, sozusagen dem Gesundheitsamt für die arbeitende Bevölkerung. Von denen brauche ich eine Bestätigung. Dort angekommen – zum Glück keine Warteschlange – anklopfen – wiedermal mein Anliegen erklären. Es wiederholt sich dasselbe Schauspiel wie vorher in der Migración: nach ein paar Sätzen werde ich wieder hinauskomplimentiert: auf der Außenseite der Tür stünden alle Informationen. Etwas verwirrt studiere ich also die Informationen, mit vielen offenen Fragen klopfe ich dann aber noch einmal an. Auch die Ärztin ist zum Glück geduldig und erklärt mir alles. Die Schlussfolgerung: ich kann heute nicht mehr viel ausrichten, ich muss morgen Früh wiederkommen und zwar nüchtern, mit einer Urinprobe im Gepäck und einer Bestätigung, dass ich für die notwendigen Untersuchungen bezahlt habe. Also geht’s weiter zur Apotheke, Probecher kaufen – Bankomat, Geld abheben – Bank, überweisen und das war’s dann auch für heute.
Mittwoch: Nachdem ich grausam früh aufgestanden bin, stehe ich um halb 8 wieder vor dem Gesundheitsinstitut. Die folgenden drei Stunden bestehen hauptsächlich aus Warten. Dazwischen wird mir Blut abgenommen, ich gebe meine Urinprobe ab, ein Röntgen wird von meinem Brustkorb gemacht und ich muss ein paar Fragen zu meiner Gesundheit beantworten. Es ist außerdem spannend, mal ein bolivianisches Krankenhaus von innen zu erleben und besonders angenehm, dass ich dabei nicht krank bin. Weiter geht’s wieder zur Migración: einige Fragen sind doch noch offen. Diesmal schaffe ich es am Portier vorbei und bekomme eine Wartenummer. Endlich dran, lege ich der Dame am Schalter meine Papiere vor: dieses fehlt, jenes auch, hier brauche ich das Original, hier auch – dankenswerterweise schreibt sie mir eine Liste.
Freitag: Ich bin ich wieder in der Stadt um mein Gesundheitszertifikat abzuholen (Glück gehabt, ich bin gesund!). Wieder zur Migración – Nummer ziehen – warten. Ich bin überzeugt davon, dass ich diesmal alles beisammenhabe und nehme das Warten gelassen hin. Irgendwann bin ich endlich dran, ein Herr hinterm Schalter studiert diesmal meine Papiere. Schnell erklärt er mir, dass es ein Problem gebe: hier hat eine andere Person unterschrieben als dort und das fehle mir auch. Ich versuche es ihm zu erklären, argumentiere, verweise auf die Liste, die ich zwei Tage zuvor erhalten habe. Schließlich schaltet sich auch die Beamtin, die eben diese Liste verfasst hat, ein. Es nützt alles nichts, niedergeschlagen stehe ich wieder draußen – ich muss noch einmal kommen.
Montag: 3. Besuch bei der Migración. Wieder: Schlange stehen – Nummer ziehen – warten. Ich bin zum Glück früh dran und sitze bald einer dritten Person gegenüber, die meine Papiere studiert und: wiederum findet sie ein Problem: hier steht etwas anderes als dort und das darf nicht sein. Ich bräuchte nur noch dieses eine Papier, eine Kopie würde reichen. Gut, ich lasse mich nicht entmutigen, gehe raus, telefoniere: Ernüchterung, meine Organisation hat das gefragte Papier nicht. Ich gehe also wieder rein, erkläre die Situation. Ich bin entschlossen – heute will ich nicht wieder ohne Ergebnis nach Hause fahren. Die Dame hinter dem Schalter ist ratlos, also schickt sie mich einen Stock höher in das Büro ihres Vorgesetzten. Noch einmal erkläre ich meine Situation. Wir diskutieren und schließlich bekräftigen wir mit Handschlag das Ergebnis: ich muss ein bestimmtes Dokument schreiben, aber es reicht, wenn ich heute eine Kopie der Unterschrift habe. Also wieder ins Internetcafé – das Dokument schreiben – telefonieren – warten. Ich bin megafroh, dass die Chance, heute doch noch zu meinem Visum zu kommen, noch am Leben ist. Während dem Warten beobachte ich die Müllabfuhr. Sie hat ein Megafon auf dem Dach, aus der ein Song tönt, der die Leute auffordert, ihren Müll nicht auf die Straße zu werfen, sondern zu sammeln und der Müllabfuhr zu übergeben. Irgendwann hat auch dieses Warten ein Ende, wieder ins Internetcafé, ausdrucken, wieder in die Migración. Die Beamtin von vorher nimmt mein Dokument entgegen und verschwindet nach oben in das Büro ihres Vorgesetzten. Klappts diesmal, oder wieder nicht? Sie kommt zurück: „Toma asientito“ (Nimm Platz), die eigentliche Beantragung meines Visums kann endlich beginnen! Ein paar Minuten später stehe ich wieder auf der Straße: ich muss zur Bank, die Gebühr überweisen. Also zum Bankomaten, Geld abheben – zur Bank, Nummer ziehen – warten – Überweisung tätigen – zurück zur Migracion – ins Internetcafe, zwei Kopien von der Bestätigung machen – Nummer ziehen – warten. Da sagt mir die Beamtin, ich hätte leider Pech, sie hat nämlich die Strafzahlung vergessen, da ich schon drei Tage ohne gültiges Visum im Land bin. Also wieder zur Bank, das ganze Prozedere noch einmal. Danach hetze ich zurück zur Migración, sie schließt nämlich in zehn Minuten. Das Wartezimmer ist leer, ich komme bald dran: ein Foto wird gemacht (obwohl ich schon zwei mitbringen musste…), meine Fingerabdrücke werden genommen und das war’s: in zehn Tagen kann ich wiederkommen und meinen Pass abholen. Ich hab’s geschafft! Ziemlich fertig mache ich mich auf den Heimweg nach Combuyo.

Nachtrag: Während der ganzen Warterei kam mir der Gedanke, dass es gar nicht schadet, hin und wieder mal Ausländerin zu sein, um zu wissen, wie es sich anfühlt, wenn man zum Beispiel dem Willen der Behörden ausgesetzt ist. Ich dachte an meine syrischen und afghanischen Freunde, die in Österreich Asyl beantragt haben und auch unzählige Behördengänge hinter sich haben. Eine Seite, die ich als Inländerin an Österreich nicht wirklich kenne, hier in Bolivien als Ausländerin aber erlebe. Als ich dann den vierten Tag in der Migración war und mir das Warten schon zu viel wurde, dachte ich mir, dass es jetzt auch wieder reicht und ich schon genug Erfahrungen mit der Behörde gesammelt habe. Da musste ich wieder an meine Freunde denken. Bei mir ging es um einen Behördengang und eine Fahrt nach Cochabamba mehr oder weniger. Bei ihnen geht es darum, ob der Asylantrag genehmigt wird oder nicht – also um die gesamte Zukunft.
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