Verfasst von Laura Wiegand am 03.12.2022
Wasser ist das Elixier für Pflanze, Tier und Mensch. Wo Wasser ist, ist Leben. Für Regionen, in denen über mehrere Monate im Jahr ein Wassermangel herrscht, stellt die Wasserversorgung eine der lebensnotwendigsten Aufgaben dar und bedarf einiger logistischer Anforderungen.
Dabei geht es nicht nur darum die Wasserversorgung kurzfristig sicher zu stellen, sondern ebenso sie auf lange Sicht, möglichst nachhaltig und schonend für die Umwelt in einer geeigneten Kreislaufwirtschaft zu gewährleisten. Die Wasserversorgung von Mollesnejta, der Forschungseinrichtung für andine Agroforstwirtschaft am Fuße der bolivianischen Anden stellte mich daher vor einige Fragen und ich hielt es deswegen für relevant, mich mit dem Thema genauer zu beschäftigen. Wo kommt das Wasser her, wo fließt es hin? Wie werden die Pflanzen versorgt? Was geschieht in der Trockenzeit? Was steckt dahinter, wenn ich mir die Hände wasche, die Toilette benutze oder mich dusche? Welche Qualität hat das Wasser aus der Leitung? Ich fand detaillierte Antworten in einem Gespräch mit der Institutsleiterin Noemi.
Die Herkunft des Trinkwassers, Versorgung und Struktur
Das Wasser für Mollesnejta kommt aus zwei Bergschluchten vom nahe gelegenen 5000er Berg Tunari. Das Oberflächenwasser, zu dem Regen- und Schmelzwasser zählen, wird zum einen von Osten (Hermetaño) und zum anderen von Westen (Jucumarini) in zwei große Wasserspeicherbecken aufgefangen Es handelt sich dabei um Überlaufbecken, damit sich heruntergespülte Steine, Schlamm, Baumreste oder Erde absetzen können. Das Wasser wird von dort durch etwa zehn Zentimeter dicken Wasserschläuche hinunter zu zwei großen geschlossenen und von den Dorfbewohnern erstellten Wasservorratsbehältern geleitet und versorgt die Kommune Combuyo mit Trinkwasser, zu der auch Mollesnejta zählt, sowie eine weitere Kommune und ein Hotel mit Restaurant.

Einmal jährlich findet eine Kommunensitzung statt, bei der Auffangbecken und Schläuche gesäubert sowie Schäden repariert werden. Eine nicht ordnungsgerechte Funktion bedeutet eine ungenügende Wasserversorgung und dies kann insbesondere in den letzten Trockenmonaten September bis November verheerende Auswirkungen haben. An der Säuberungsaktion beteiligt sich aus jedem Haushalt mindestens ein Mitglied. Die Wasserschläuche, die das Wasser vom Auffangbecken ins Dorf leiten, werden dabei von den Männern auf Durchlässigkeit und Schäden kontrolliert und gegebenenfalls repariert. Die Frauen befreien derweil die Wasservorratsbecken von Schlamm und Steinen, die durch die enorme Wucht der Regenfälle hangabwärts vom Tunari angespült werden. Eine klassische Rollenverteilung, die von Noemi aufgebrochen wird, indem sie zusammen mit den Männern die Leitungen patrouilliert.
Jedem Wasserbecken ist ein Wasserwart zugeordnet, der die Aufgabe hat, jeden Morgen um 6 Uhr in der Früh die Trinkwasserhauptleitung zu öffnen und sie mittags oder abends wieder zu schließen. So können sich die Trinkwassertanks im Ort füllen und es gewährleistet auch eine Wasserversorgung von höher gelegenen Häusern. Nur wer in Besitz einer Trinkwasseraktie ist, erhält Rechte, an das System Anschluss zu finden und Trinkwasser zu kaufen. Der Preis des Wassers ist gestaffelt und richtet sich nach dem Verbrauch, der mit Hilfe des 2019 eingeführten Wasserzählers erfasst wird. Bei einem Verbrauch von bis zu 10 Kubikmeter pro Monat beläuft sich der Preis auf 10 Bolivianos, zwischen 10 und 20 Kubikmeter auf 20 Bolivianos und so fort. Allerdings ist der Verbrauch gedeckelt: bei monatlich über 50 Kubikmeter wird eine Strafzahlung fällig. Noemi leistet Abhilfe, indem sie nun eine zweite Aktie erworben hat und damit doppelt so viel Wasser beziehen darf. Denn bei durchschnittlich zehn Praktikanten, der dreiköpfigen bolivianischen Familie, die im Forschungsinstitut hilft und dort ihr zu Hause hat, sowie das bald eröffnende Restaurant wird der Wasserverbrauch vermutlich über 50 Kubikmeter liegen.

Die Trinkwasserqualität
Anders als wir es von Deutschland oder Europa kennen, gibt es kein Wassereinzugsschutzgebiet. Man muss darauf vertrauen, dass das Wasser durch das Gestein gefiltert wird, dort keine Schwermetalle lagern, niemand böswillig Schadstoffe einträgt und die anliegenden Landwirte Pflanzenschutzmittel und Dünger sachgerecht, bestenfalls keines von beiden, verwenden. Die Kommune Combuyo hat sich dank Noemis Überzeugungskraft dazu entschieden, ihre Wassersammelbecken sowie die Leitungen selbst zu verwalten und es nicht in die Hände der Bezirksverwaltung zu geben. Das ist zwar mit mehr Arbeit und Eigeninitiative verbunden, bringt aber zugleich den Vorteil, mehr Kontrolle über die Qualität und Reinheit des Trinkwassers zu behalten. Mollesnejta nutzt dafür den Vorteil der Topographie: Oberhalb des Geländes schließen Berge an, die eine landwirtschaftliche Nutzung unmöglich machen und deshalb die Gefahr einer Verunreinigung gebannt ist. Darüber hinaus ist jeder Haushalt für die Qualität seines eigenen Trinkwassers verantwortlich. Das Wasser in Mollesnejta wird zusätzlich von einem physikalischen und chemikalienfreien Feinporenfilter von mitgeschwemmten Erdpartikeln befreit, welcher manuell gereinigt werden kann.
Erhalt von Bewässerungswasser – ein eigenes Ritual

Der Bezug von Bewässerungswasser folgt seinen eigenen Regeln. Auch hierfür stammt das Wasser aus Oberflächenwasser vom Berg Tunari, wird jedoch über ein anderes Wasserauffangbecken gesammelt. In den Monaten von August bis Dezember werden insgesamt vier Mal die Schleusen nachts zu unchristlichen Zeiten für eine Stunde lang geöffnet, um die Vorratsbecken der Anwohner mit Wasser zu füllen. Auch hier bedarf es einer Berechtigung für den Erhalt von Wasser, einer akribischen Verfolgung des Wasserflusses und eines guten Verhandlungs- und Absprachegeschicks mit den Nachbarn, um an seinen Teil des Wassers zu gelangen. Denn die gewaltigen Kräfte, mit denen die Wassermassen angespült kommen, müssen durch Tore in den Kanälen gelenkt werden, wozu oft vereinte Muskelkraft erforderlich ist.
Die Versorgung in Mollesnejta
Gleich am Eingang des Grundstückes verläuft die Hauptleitung und befördert das Trinkwasser aus den beiden Schluchten in einen Wassertank.

Nun umfasst das Grundstück von Mollesnejta 16 Hektar und einige 100 Höhenmeter. Die Versorgung von den einzelnen Wasserentnahmestellen muss also über Pumpen erfolgen, die das Wasser hochpumpen, damit es per Schwerkraft beständig die jeweiligen Trinkwasservorratsbehälter der fünf Infrastrukturkomplexe füllen kann. Vom Eingang aus fördert eine erste Pumpe das Wasser auf ca. 50 Höhenmeter hoch und anschließend durch eine zweite Pumpe weitere 50 Höhenmeter bis zum Installationshäuschen oberhalb vom Berghaus, dem Haus von Noemi, gepumpt. Mit Hilfe eines Schwimmers wird der Füllstand des Wasserbehälters kontrolliert. Von dort oben wird die Schwerkraft genutzt, um das Trinkwasser zu unterhalb gelegenen Tiny House, Gästehaus (Praktikantenhaus) und Pförtnerhaus mit ausreichend Druck zu leiten.
Die Trockenzeit erstreckt sich in sehr trockenen Jahren zum Teil über neun Monate. Insbesondere, wenn mehrere solcher sehr trockenen Jahre aufeinander folgen, kann es einen ausgeprägten Wassermangel bedeuten. Für diese Fälle versorgt ein Wasserauto aus Vinto zu einem sehr teuren Preis und ohne Trinkwasserqualität die Kommune Combuyo mit Wasser.
Deswegen gilt es, so viel Wasser wie möglich einzusparen und die Bewirtschaftung an den Verbrauch anzupassen.

Kein Tropfen geht verloren – Das Abwassersystem
Eine Möglichkeit zum Wassersparen ist der Einsatz von Trockentoiletten, die in (fast) allen Häusern in Mollesnejta installiert wurden. Die Einsparungen belaufen sich auf bis zu zehn Liter pro Toilettengang, was bei zehn Praktikanten eine erhebliche Menge ausmacht. Zudem können Kot und Urin als Pflanzendünger verwendet werden – ein weiterer Vorteil für die Agroforstbewirtschaftung. Die einzigen drei Toiletten mit Spülung auf dem Gelände (die Gästetoiletten im Berghaus) werden mit Brauchwasser aus Dach- und Grauwasser bespült, wobei das Grauwasser aus dem Abfluss von Küche und Dusche ist. Alle bis auf eine Dusche erhalten ihr warmes Wasser übrigens durch Solarenergie.
Das Grauwasser des Tiny House fließt direkt in einen davor angelegten Teich ab. Es dient den Pflanzen als Wasser- und Nährstoffquelle (insbesondere der in jedem Waschmittel enthaltene Phosphor) und wird im Gegenzug von ihnen gereinigt. Anschließend fließt es über einen etwa 1 m langen angelegten Kanal, der mit unangereicherter Kohle befüllt ist. Durch die Kohle, Kies, Mikroorganismen und Pflanzen erfährt es eine weitere Filterung, bis es schließlich in einen Gemüsegarten gelangt, um diesen mit Wasser zu versorgen.

Das Grauwasser des Praktikantenhauses versorgt die Agroforstparzelle Tropical, gefiltert über einen Aushub mit Pflanzenkohle und Sand. Zum Teil kann man in diesem kleinen Wäldchen wilde Tomaten finden, deren Samen einst am Schneidebrett in der Küche hingen und mit dem Spülwasser weggespült wurden.
Die (Jung-)Pflanzen in Mollesnejta werden von Don Demetrio mit dem Wasser aus dem Bewässerungsbecken bewässert. Er hat genau im Blick, wie viele Pflanzen versorgt werden können. Denn die begrenzte Wasserversorgung limitiert die Bewirtschaftung der 16 Hektar. Nicht nur die Größe des Vorratsbeckens, sondern auch ein Wassermangel aufgrund von langanhaltender Trockenheit zwingen zu einer genauen Planung bei der Aussaat und Aufzucht junger Bäume. In Mollesnejta werden deshalb rund 500 Neupflanzen pro Saison angepflanzt, da bei dieser Menge noch eine ausreichende Wasserversorgung möglich ist. Hinzu kommen die Pflanzen aus dem Vorjahr, die ebenfalls noch sehr klein und zart sind und gegossen werden müssen. Die Häufigkeit des Gießens richtet sich im Wesentlich nach der Niederschlagshäufigkeit und beläuft sich zwischen ein bis zwei Mal pro Monat. Durch Mulchen kann die Evaporation vermindert werden, ebenso vorteilhaft sind kühle Nächte mit Taubildung. Bei guten Bedingungen haben die jungen Bäume ab dem dritten Jahr ein ausreichend ausgebildetes Wurzelsystem, mit dem sie Anschluss an das Bodenwasser finden und sich selbst versorgen können. Beobachtungen deuten darauf hin, dass der Klimawandel trockenere Jahre und kürzere Regenzeiten herbeiführt. Und auch hier muss sich in Zukunft darauf eingestellt werden, eine andere Strategie zu fahren. Aus diesem Grund ist es gerade deshalb so wichtig, mit der Aufforstung voran zu schreiten, mit mehr Bäumen die Evaporation durch mehr Schatten und Windschutz zu reduzieren, den Boden mit Humus aufzubauen um die Wasserspeicherkapazität zu erhöhen und durch einen intakten und regelmäßigen Bewuchs die Wasserversorgung und damit die Lebensgrundlage sicherzustellen.
Schreibe einen Kommentar