Verfasst von Dea Spiess
„Auffangstation für Tiere“, so wurde unser Praktikantenhaus neulich genannt. Unser Praktikantenhaus mit zwei Tieren als Auffangstation für Tiere zu bezeichnen ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Dennoch hat es was an sich, wenn man beachtet, wie viele Tiere hier schon ein Zuhause gefunden haben. Die Bilanz von zwei Tieren die daraus hervorgeht ist allerdings nicht ganz so berauschend, wie der Titel fälschlicherweise vermuten lässt.
Aber alles der Reihe nach. Als ich in Mollesnejta ankam, wurde ich freundlich von einem eitlen getigerten Kater, genannt „Grauschnäuzer“, begrüsst. Ohne jegliche scheu sprang er schon in den ersten paar Stunden auf meinen Schoss und liess sich ausgiebig streicheln und kraulen.

Die zweite kleine Mitbewohnerin trug den Namen Lotti. Lotti war eine kleine weisse struppige Katze mit schwarzen und braunen Flecken. Anders als Grauschnäuzer war die kleine Lotti eher scheu und ängstlich. Es hat eine Weile gedauert, doch irgendwann hat sich auch Lotti auf meinen Schoss getraut. Sie hat sich immer auf einem Bein zu einem kleinen Ballen zusammengerollt. Da Lotti eine sehr dünne Katze und Reis ihr Hauptnahrungsmittel war, wurde nach einiger Zeit, initiiert durch Emma, Katzenfutter angeschafft. Offiziell gehören beide Katzen zu Mollesnejta. Sie haben sich aber bei uns Praktikant:innen eingerichtet und wir sorgten auch sehr gerne ab und zu für die zwei. Das hat sich gut eingependelt und alle waren zufrieden mit unseren zwei unabhängigen Katzen. Plötzlich erhielten wir einen Mitbewohner, mit dem sich unsere Katzen aber leider gar nicht gut verstanden. Der kleine verletzte Vogel, den Noemi gefunden hatte, wurde darum in unserer Küche einquartiert, bis er wieder flugfähig war. Als er jedoch nach einigen Tagen in unserem eingezäunten Garten freigelassen wurde, passierte das Unglück. Gestresst von den tobenden Katzen flog der kleine, noch schwache Vogel auf einen Baum, konnte sich aber nicht am Ast festhalten und fiel auf den Boden. Von dort ist er nicht mehr aufgestanden. Nach dieser traurigen Geschichte würde ich ja gerne etwas Freudiges erzählen, leider ging es aber so weiter. Denn was ich zuvor nicht erwähnt habe, war die Feindseligkeit zwischen Lotti und Grauschnäuzer. Eines Tages ist uns aufgefallen, dass Lotti nicht mehr so aktiv und ihre eine Gesichtshälfte stark angeschwollen war. Da sie immer schlapper wirkte, gingen wir mit ihr zum Tierarzt. Dort hat sich herausgestellt, dass ihre eine Gesichtshälfte komplett mit Eiter gefüllt war und dass die Verletzung wahrscheinlich von einem Kampf herrührte. Die Gerüchte, die nun kursieren, besagen dass Grauschnäuzer für den Tod von Lotti verantwortlich war. Die Wunde wurde ausgespült und Lotti erhielt Antibiotika und Entzündungshemmer. Da es nicht besser wurde, sind wir etwa jeden zweiten Tag zum Tierarzt in Vinto gefahren, um die Wunde auszuwaschen. Dennoch wurde es nicht besser und Lotti hat immer weniger gefressen und getrunken. Da merkten wird, dass es dem Ende entgegen ging. Wir haben versucht, ihr den Abschied so leicht wie möglich zu machen, dennoch war es hart mit anzusehen, wie so eine kleine feine Gestalt langsam von uns ging. Lotti wurde dann begraben und die Stelle mit Steinen und einem Schild markiert. Die Beerdigung zu Ehren von Lotti war ein würdiger Abschluss, für die schönen und lustigen Momente die wir mit ihr erleben durften. Es war eine traurige Zeit. Was mich und wohl auch die anderen Anwesenden aufgeheitert hat, war der Fund eines kleinen Baby-Hundes. Den kleinen Labrador -Welpen haben wir kurz vor Lottis Ableben in Tiquipaya in einem Kanal neben der Strasse gefunden und mitgenommen. Die Kleine war komplett verschüchtert und hat fürchterlich gestunken. Wir haben sie dann gewaschen, gefüttert und ihr ein improvisiertes Bett aus Handtüchern gemacht. Die erste Nacht war anstrengend, sie hat immer wieder geweint und konnte fast nicht beruhigt werden. Bald schon lebte sie sich aber gut ein und ist jetzt teilweise eine richtige kleine Nervensäge geworden. Alle Praktikant:innen haben sie früher oder später ins Herz geschlossen und sie wird jetzt als offizielles Mitglied unserer „Mollesnejta Gang“ betrachtet. Schnell waren wir uns einig, dass die kleine Stinkerin auch einen entsprechenden Namen braucht und einigten uns auf „Asna“, was tatsächlich „Stinkerin“ auf Quechua, der hiesigen indigenen Sprache, heisst. Bereits vom ersten Tag an, war Asna fast überall dabei. Während wir Bäume pflanzten, lief sie zwischen unseren Beinen hindurch, trank von den Wassereimern oder legte sich für ein Nickerchen in den Schatten. Auch die Wochenendausflüge sind ohne Asna gar nicht mehr vorstellbar. Sie kommt mit auf Wanderungen, zum High Linen, Freunde besuchen oder in die Stadt. Kurz vor Weihnachten ist sie zu uns gestossen und ist somit seit ca. 6 Wochen in Mollesnejta.


Es fühlt sich nach viel länger an, vor allem wenn man ihre Wachstumsschübe betrachtet. Heftig und ein bisschen verstörend ist die Geschwindigkeit der Entwicklung von „Mutter- oder Vatergefühlen“. Als ich letzte Woche nach Sucre gefahren bin, habe ich sie richtig vermisst und Angst verspürt, dass sie mich in dieser Zeit vergisst. Ich kam zurück und war überrascht von ihrer Grösse. Aber trotz der äusseren Veränderungen hat sie mich wieder erkannt. Ihre Augen haben nun plötzlich die Farbe braun, anstelle von blau.
Alle Leute sind begeistert von der süssen kleinen Hündin, was sich auch in den vielen Anfragen zeigt. Bis jetzt steht es aber noch in den Sternen, was mit Asna passiert, wenn wir alle unseren Praktikumsaufenthalt hier beenden. Bleibt sie bei Noemi, geht sie zu einer Familie in Bolivien oder kommt sie gar mit nach Europa?
Klar ist, dass wir für den Moment wieder zwei Tiere in unserer „Auffangstation für Tiere“ haben: die kleine wilde Asna und den eitlen Grauschnäuzer. Auch die Beziehung dieser zwei ist äusserst schwierig. Obwohl Asna immer wieder Annäherungsversuche startet, zeigt Grauschnäuzer ihr die kalte Schulter und will bislang nichts von ihr wissen. Ob sich das in den kommenden Wochen wohl noch ändern wird?
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